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Sakrileg, 02.09.2015

In den Wahlen im Juni 2015 hat die türkische Regierung eine schwere Niederlage erlitten und ihre Wahlziele deutlich verfehlt. Um verlorenen Einfluss wiederzugewinnen hat sie danach ihren Krieg gegenüber Syrien verschärft und den Krieg gegen die kurdische Autonomie wiederaufgenommen. Medien schwärmen schon davon, Aleppo als 82. Türkische Provinz dem Staat einzuverleiben. Im Zentrum der türkischen Politik steht dabei die Forderung, eine angebliche Schutz- und Flugverbotszone im Norden Syriens zu errichten. Bemerkenswert ist: bisher ohne internationalen Erfolg.

Für Syrien wurde die Forderung nach einer Flugverbotszone schon vor Jahren erhoben – und scheiterte Ende 2011 und Anfang 2012 nur am Widerstand Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat. Dies hielt die türkische Regierung nicht ab. Vor Ort hat sie sich schon lange angemaßt, eine eigene Flugverbotszone einzurichten. Schon vor Jahren wurden syrische Flugzeuge und Hubschrauber beschossen und abgeschossen, wenn sie sich der syrisch-türkischen Grenze näherten. Der Kampf der syrischen Armee gegen die Dschihadisten wurde dadurch massiv behindert.

Aleppo als 82, Provinz der TürkeiIm Oktober 2014 behandelte das türkische Parlament das Thema Militäreinsätze in Syrien. Das selbst ausgestellte Mandat wurde nach einem Jahr gerade erneuert. Offensichtlich zielte das nicht auf den Schutz der Zivilbevölkerung ab; die Frage war allenfalls: Krieg gegen die Kurden, gegen die syrische Regierung – oder beides? Und als Nebeneffekt womöglich die Eroberung Aleppos als 82. Provinz der Türkei.

Zur Zeit nutzt die türkische Regierung die Minderheit der Turkmenen um im Norden Syriens Fuß direkt zu fassen. Doch die Versuche, eine offizielle Flugverbotszone im Norden Syriens mit dem Segen der USA zu errichten blieben bisher erfolglos. Alle Meldungen, es habe eine Einigung zwischen den USA und der Türkei gegeben – erwiesen sich als vorschnell. Die türkische Zeitung Hurriyet hatte berichtet, es gäbe eine Einigung über eine Flugverbotszone mit 90 km Breite und 40 – 50 km Tiefe: vergebens. Das US-amerikanische Außen- und Verteidigungsministerium erklärten: nein, es gibt keinen Nutzen für eine solche Zone. Und sie einzurichten würde bedeutende Herausforderungen mit sich bringen, sowohl was die Logistik als auch was die Kosten betrifft.

Die Alleingänge der türkischen Regierung – Angriffe auf kurdische Stellungen unter dem Vorwand des Kampfes gegen IS- stießen nicht auf das Wohlwollen der NATO. Hier wurde mit der Ankündigung, die deutschen Patriot-Raketen abzuziehen, eine Botschaft gesendet – und sie ist offenbar angekommen.

Es soll keine Alleingänge mehr gegen die kurdischen YPG und PKK geben: Der Sprecher des US-Außenministeriums wies darauf hin, die türkische Luftwaffe werde (nun) voll in die Aktionen der Koalition (ATO) eingebunden

Krieg in Permanenz

Zweifellos könnte die Luftwaffe der USA mittels einer Flugverbotszone die syrische Armee schwächen – aber in der heutigen Situation würde der Sturz der syrischen Regierung ausschließlich den IS stärken; und ein unkontrollierter "Islamischer Staat" dient nicht den Interessen der USA.

Die New York Times zitiert eine Studie der Rand Corporation mit den Worten: "Ein Sturz von Assad, so unwahrscheinlich er heute wäre, wäre das schlimmste vorstellbare Ergebnis für die Interessen der USA"

Das Problem für die USA: es gibt keine Verbündeten vor Ort, d.h. keine Kräfte, die sich von den USA kontrollieren ließen (sogenannte Gemäßigte). Am ehesten wären das kurdische Kräfte, die aber ihre eigenen Interessen haben und mit Sicherheit allenfalls in Teilen von Syrien wirken können. So bewahren die USA das Gleichgewicht des Schreckens und fliegen nur bedingte Angriffe gegen IS – und auch keine Angriffe gegen die syrische Armee. In den Luftangriffen seit einem Jahr wurde IS allenfalls punktuell geschwächt – nämlich in den kurdischen Gebieten. Und tatsächlich wurde auch nur ein einziger Zwischenfall mit der syrischen Armee bekannt: Ein Drohnenflug über der syrischen Küste – die Drohne wurde von der syrischen Luftabwehr abgeschossen.

Die Politik der USA möchte selbst die neuen Grenzen im Nahen Osten ziehen und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden – weder durch einen Sieg der syrischen Regierung noch durch einen Islamischen Staat, der nach einer Zerstörung und Eroberung Syriens wohl kaum noch zu kontrollieren wäre. So ist das schreckliche Gleichgewicht der Kräfte, das Andauern des Schlachtens ohne entscheidenden Sieg einer Seite ganz im Interesse der USA: weder Assad noch IS – sondern permanenter Krieg.

Wir meinen dagegen: Nur die Zusammenarbeit der Kräfte, die IS tatsächlch bekämpfen wollen mit der syrischen Armee kann zu einer Verbesserung der Situation führen.

Sakrileg

Nun gibt es eine neue Entwicklung: Russland scheint seine Militärhilfe für Syrien ausweiten zu wollen, zumindest nach Ansicht der US-Presse. Außenminister Kerry erklärte, die USA seien tief besorgt über Berichte, wonach Russland seine militärische Unterstützung für Syrien ausweiten und womöglich selbst mit Kampfflugzeugen eingreifen wolle.

"Wir unterstützen Syrien sowieso in bedeutendem Umfang, mit Ausrüstung, Training und Bewaffnung" erklärt hingegen Putin. Und fügt hinzu: "Wir erfüllen nur bestehende Verträge."

Womöglich ist der Widerstand der Länder in der Region (vor allem Saudi-Arabien, Türkei, Qatar) gegen jede Art politischer Lösung Anlass für Russland, Syrien stärker zu unterstützen. Und für den Versuch, den Kampf gegen IS u.a. mit einer eigenen Koalition zu führen, unter Einschluss der syrischen Armee.

Für die USA, die um jeden Preis die Kontrolle behalten wollen – und keinen Sieg der syrischen Regierung - wäre das ein Sakrileg. Und die US-Politik hyperventiliert.



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