Abkommen und Angriff, 17.09.2016
Nach monatelangen erfolglosen Verhandlungen gibt es jetzt ein recht umfangreiches Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu Syrien. Als erste Stufe sollte ein Waffenstillstand in Kraft treten und eine ungehinderte Versorgung beider Teile von Aleppo und anderer Gebiete in Syrien ermöglicht werden. Anfänglich wurde der Waffenstillstand weitgehend befolgt.
Seit langem verlangt die russische Regierung von den USA eine räumliche, militärische und politische Distanzierung der "gemäßigten bewaffneten Opposition" von den Terroristen. Die USA hatten sich bisher dagegen gesträubt. Nun stimmen sie anscheinend dieser Trennung zu. Wenn dann die Bewaffneten, die von den USA unterstützt werden, sich distanziert haben, können IS, al-Nusra und ihre Verbündeten bombardiert werden. Die Ziele würden von Russland und den USA gemeinsam festgelegt werden. Der Preis dafür ist hoch: eine "Flugverbotszone light". Die syrische Luftwaffe darf im eigenen Luftraum nur noch in bestimmten Gebieten aktiv sein.
Militärisch ist diese Flugverbotszone nicht allzu bedeutsam: In vielen Fällen war die syrische Armee sowieso auf die Unterstützung der russischen Luftwaffe angewiesen. Politisch bedeutet dieser Teil des Abkommens eine weitere Marginalisierung der syrischen Regierung. Schon lange werden Abkommen nicht mit der syrischen Regierung getroffen, sondern nur noch zwischen den USA und Russland ausgehandelt.
Die Lösung für viele Fragen wurde weiter in die Zukunft verschoben. Die Festlegung, wer zu den "Rebellen" und wer zu den "Terroristen" gehört, muss im Detail erst noch erfolgen. Selbst die Teilnehmer an einem politischen Prozess sind offenbar noch nicht wirklich geklärt. Der russische Außenminister Sergei Lawrow wies am Ende einer Pressekonferenz in Genf darauf hin, dass der zukünftige politische Prozess nicht nur die Teile der Opposition, die von Saudi-Arabien unterstützt werden, sondern auch die Oppositionsgruppen in Moskau und Kairo umfassen müsse. Aber es scheint nicht sicher, dass das in den Verhandlungen konkretisiert wurde.
Die Verhandlungen zogen sich über Monate hin. Die eigentliche Diskussion fand aber nicht in Genf sondern in Washington statt, wo es starke Widerstände gegen eine Einigung mit Russland gibt.
Die neokonservative Syrien-Politik, die auf Konfrontation ausgerichtet ist, konnte sich vorerst nicht weiter durchsetzen. Ein Grund dafür ist in den Erfolgen der syrischen Armee um Aleppo zu sehen. Wenn auch erst im zweiten Anlauf ist es gelungen, den Ostteil der Stadt abzuriegeln und die Verbindung in den Süden auszuweiten. Damit gerieten die terroristischen Organisationen zunehmend in eine schwierige Situation. Wenn das Abkommen eine Verbesserung der Situation in Syrien bringt, wird es die russische Position im Nahen Osten weiter stärken. Die Neokons in den USA hoffen womöglich auf ein Scheitern des Abkommens – oder arbeiten daran. Ein erster Schritt dazu ist der Angriff auf syrische Armeestellungen
Es war schon offensichtlich, dass das Pentagon das Abkommen zwischen den USA und Russland nie wollte. Bisher haben die USA nichts dafür getan, das Abkommen umzusetzen. Jetzt provoziert die US- Luftwaffe offenbar gezielt, um das Abkommen zu Grabe zu tragen. Bei einem US-Luftangriff sind mehr als 60 syrische Soldaten getötet worden.
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Medien
In einer kurzen Broschüre (hier als pdf und hier als epub) stellen wir die wichtigsten Entwicklungen und Wendepunkte im Krieg gegen Syrien bis 2014 dar.
Und hier im Überblick als Poster
Ein Video , das die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Eine Diskussion, die auf jeden Fall ausgeweitet werden sollte.
Video:Hände weg von Syrien: Demonstration in Frankfurt, 01.09.2012
Bilder von unserem letzten Aufenthalt in Syrien - im April 2012. Ein ganz normalen Alltag.
Eine Schweizerin besucht Freunde in Syrien. Sie war dort für 3 Wochen im Oktober 2011 reiste durch das Land und berichtet über ihre Erfahrungen.