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Die Linke und Syrien – ein schwieriges Kapitel

Demonstration in Frankfurt: Hände weg von Syrien
Der Frühling der Petrodollar
Vor einigen Monaten wurde ich im Büro von einer Kollegin auf eine Veranstaltung hingewiesen: eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem "arabischen Frühling". Meine Reaktion war eher emotional und heftig; später musste ich sie dafür um Entschuldigung bitten.

Ich konnte einfach nicht begreifen, dass Monate nach dem Ende der Bewegung in Kairo, nach der Bombardierung und Zerstörung Libyens durch die NATO, nach der zunehmenden Militarisierung der Auseinandersetzungen in Syrien: immer noch der Begriff des "arabischen Frühlings" in den Köpfen vorherrscht.

Und doch ist es nicht so schwer zu verstehen. Nachdem wir jahrelang blind waren gegenüber den Entwicklungen in den arabischen Ländern, waren wir auf einmal geblendet vom Geschehen in Tunesien und Ägypten. Diese Blendung ließ viele nicht verstehen, dass in Ägypten ganz unterschiedliche Kräfte gegen Mubarak kämpften. Viele Linke sahen in den Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und Syrien nur die modernen globalisierten Schichten und nicht die eher konservativen Moslembrüder. Und sie sind es doch, die das gesellschaftliche Klima in Libyen und Ägypten bestimmen. Und die versuchen, es auch in Syrien zu bestimmen.

Dabei reden wir nicht einmal nur über "die Moslembrüder". In Wirklichkeit haben schon längst die reaktionärsten Kräfte der Region – die Golfstaaten mit ihren Prinzen - die Führung übernommen über das, was einmal der arabische Frühling war.

Die Golfstaaten unterstützen gemeinsam mit den USA islamische Fundamentalisten und Salafisten. Damit wurde dafür Sorge getragen, dass die konservativen Kräfte in den arabischen Gesellschaften gestärkt wurden und nicht etwa der arabische Frühling zu einem demokratischen Experiment mit unkalkulierbaren Folgen wurde.

Zugleich wurde der Weg bereitet, den Konflikt zwischen Shiiten und Sunniten zu verstärken mit dem Ziel: Syrien zu schwächen – und den Weg nach Teheran frei zu machen.

So wie es Seymour Hersh schon vor 5 Jahren nach Gesprächen mit Regierungsvertretern der USA berichtet hat:

Die Neuausrichtung, wie einige Mitarbeiter des Weißen Hauses die neue Strategie nennen, hat die Vereinigten Staaten näher zu einer offenen Konfrontation mit Iran gebracht und hat sie in Teilen der Region in einen sich ausweitenden religiösen Konflikt zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen gedrängt.
http://www.newyorker.com/reporting/2007/03/05/070305fa_fact_hersh

Der NATO und den Diktatoren der Golfstaaten geht es nicht um Demokratie in Syrien. Sie führen einen Stellvertreterkrieg für ihre Vorherrschaft im Nahen Osten und gegen Iran und heizen den Konflikt zwischen Alawiten und Sunniten in Syrien an.

Die Linken tun sich schwer mit Syrien...

Die Blendung aus dem arabischen Frühling hält bei vielen bis heute an; dabei ist aus dem "Arabischen Frühling" schon längst der "Frühling der Petrodollar" geworden, wie der syrische UN-Botschafter es ausgedrückt hatte.

Mit dem Ruf "Ein Diktator ist ein Diktator ist ein Diktator..." wurde jeder Versuch einer gesellschaftlichen Analyse und jedes Verständnis für die Unterschiede der Gesellschaften in Ägypten und Tunesien, im Jemen, in Libyen und Syrien verhindert.

Noch immer in der Schockstarre des arabischen Frühlings, noch immer geblendet vom Glanz der Demonstranten auf dem Tahrir, sehen viele Linke nicht, dass es nur noch den Frühling der Petrodollar gibt. Im syrischen Krieg kämpfen Saudi-Arabien, Katar, die NATO gegen Syrien und um die regionale Vorherrschaft und bereiten den Boden für den Krieg gegen Iran.

Niemand verlangt von uns, dass wir das 'Assad-Regime' lieben. Wir dürfen es uns auch nicht allzu leicht machen und die Probleme unter den Tisch kehren, wenn z.B. das Ministerium für Versöhnung überhaupt erst einen Prozess für Verhaftungen und Freilassungen aufbauen musste, wie Ali Haidar in seinem Interview erklärt:

Es muß klar sein, wie und warum jemand festgenommen wird. Es muß klar sein, ob und wenn ja, warum jemand angeklagt wird und auch, wenn jemand entlassen wird
http://www.jungewelt.de/2012/08-18/001.php

Und nicht umsonst fügt er hinzu:

die Hindernisse im politischen Prozess liegen vor allem in dem Mechanismus, nach dem die Regierung bisher immer funktioniert hat und den wir noch nicht überwunden haben.

Ja, es gibt sehr vieles, was sich ändern muss in Syrien.

Bei vielen Linken stehen die Lokalen Koordinationskomitees und eine Bewegung von Demonstrationen gegen das Regime im Fokus der Aufmerksamkeit. So schreibt beispielsweise Christine Buchholz:

Die einzige Hoffnung für Syrien liegt in einer grundlegenden Demokratisierung des Landes, die nur von unten durchgesetzt werden kann. Das bedeutet auch, dass die Linke im Konflikt des Assad-Regimes mit der Demokratiebewegung nicht neutral sein kann. Wir stehen für einen solidarischen Dialog mit der demokratischen syrischen Opposition über den Weg zu einer demokratischen, sozialen und friedlichen Gesellschaft.
http://christinebuchholz.de/2012/06/24/syrien-zwischen-revolution-und-kriegsgefahr/

Selbstverständlich: Syrien wird sich demokratisieren müssen. Und gewiss spreche ich mich für einen solidarischen Dialog aus mit allen, die für mehr Transparenz, Pluralismus und Verantwortlichkeit eintreten.

Leider verläuft der Konflikt in Syrien heute nicht zwischen einer demokratischen Opposition und dem Regime.
Schon in Libyen hatte nicht eine 'Demokratische Opposition' Gaddafi zu Fall gebracht, sondern die NATO hat Libyen mit ihren Bomben in 3 Monaten zerstört. Und auch in Syrien geht es nicht um eine 'Demokratische Opposition' - die es in Syrien immerhin gibt! - sondern um bewaffneten Gruppen und Söldner, die im Auftrag und mit massiver Unterstützung der NATO und der Golfstaaten Syrien Vorort für Vorort und Stadt für Stadt zu zerstören suchen.

Heute nun kommt die Mitteilung, dass syrische Oppositionelle einen Waffenstillstand vorschlagen:

Syrische Oppositionelle haben zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Weder die Streitkräfte noch der bewaffnete Aufstand seien in der Lage, den Gegner zu besiegen, schätzte das Nationale Koordinationsbüro für Demokratischen Wandel in Damaskus (NCB) auf einer Pressekonferenz ein. Um das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern und um zu verhindern, daß die Infrastruktur Syriens und die nationale Einheit weiteren Schaden davongetragen, schlägt das NCB vor, daß sämtliche bewaffneten Kräfte einem befristeten Waffenstillstand zustimmen. Die solle zu einer dauerhaften Einstellung der Kämpfe und einem nationalen Dialog in Syrien führen.
Junge Welt, 18.08.2012

Damit erkennt auch die syrische Opposition endlich! an, dass der Konflikt nicht zwischen einer demokratischen Opposition und dem Regime verläuft, sondern zwischen Bewaffneten Aufständischen und der Regierung. Und dass diese Aufständischen – unterstützt von NATO und Golfstaaten – einen Waffenstillstand unter allen Umständen ablehnen, haben sie im Einklang mit Hillary Clinton oft genug erklärt.

Ob mehr Menschen in Syrien für oder gegen Assad sind muss sich erst noch herausstellen. Die inneren Probleme des Landes müssen geklärt werden. Aber das kann nur gelingen durch Verhandlungen und Dialog, nicht durch NATO-Bomben oder die Unterstützung der NATO für Aufständische.






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