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Widerspruch, 02.03.2017

"Vom Wachpersonal misshandelt, vergewaltigt und gefoltert, oft bis zum Tod. Nackte Männer, die offenbar dazu gezwungen werden, sich gegenseitig sexuell zu befriedigen, Soldaten, die Häftlingen Kabel anlegen, vermutlich um sie mit Elektroschocks zu quälen, Menschen mit stark blutenden Verletzungen, Schnitten, Hundebissen, sogar Schusswunden. Blut bleibt an der Tür zurück, hinterlässt eine rote Spur, als das Gesicht am Metall herunterrutscht. Der Mann, nur bekleidet mit einem dunklen Umhang, einem Gewand, einer Decke, er fällt nicht. Er kann nicht fallen, denn seine Hände sind an den Türriegel gekettet." Das sind keine Zitate aus dem Amnesty-Bericht „Massenerhängungen und eine Politik der "Auslöschung"

Es sind Zitate aus einem Bericht des Spiegel über die Verhältnisse im US-Gefängnis von Abu Ghraib. Gräuel, die auf vielfache Weise klar dokumentiert waren.

Der lange Krieg gegen Syrien wurde vom ersten Tag an auch medial geführt. Aussagen von "Augenzeugen" wurden Millionenfach verbreitet, und niemals auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft, solange sie nur gegen die syrische Regierung gerichtet waren.

Der Bericht von Amnesty International über die Gräuel im Gefängnis von Saydnaya ist nicht klar dokumentiert. Er beruht allein auf Zeugenaussagen, die richtig oder falsch sein mögen, ehrlich oder übertrieben oder die vielleicht sogar Erinnerungen an Gefängnisse in verschiedenen Ländern vermischen. Amnesty schweigt sich darüber aus und die Zeugenaussagen werden von Amnesty niemals kritisch betrachtet.

Die Insassen

Es versteht sich in einem derartigen Bericht von selbst, dass "Demonstranten" bewusst in einem Atemzug mit Ärzten, Studenten und Journalisten genannt werden. Nicht, als sei Demonstrant eine Berufsbezeichnung. Vielmehr soll es im Leser das Bild des "zivilgesellschaftlichen" Widerstands gegen die Diktatur erwecken.

Ein anderes Bild der Insassen des Gefängnisses zeichnet der Spiegel in einem Artikel, den Amnesty in seinem Bericht selbst als Quelle zitiert. Darin heißt es über die "politischen Gefangenen" in Saydnaya, viele von ihnen seien Islamisten oder vorgebliche Islamisten. Und daneben gebe es auch pro-demokratische Aktivisten.

Keine Frage: selbstverständlich haben Islamisten wie alle anderen ein Recht auf menschenwürdige Behandlung. Aber Amnesty hat nicht das Recht, den Eindruck zu erwecken, in diesem Gefängnis säßen nur Demonstranten der Zivilgesellschaft ein.

Geheimhaltung

Das größte Geheimnis des Bericts stellt die Frage der "Geheinhaltung" dar. Tausende Häftlinge werden getötet – absichtlich, gezielt und systematisch. Und niemand weiß davon. Alles bleibt so geheim, dass nur die wirklich unmittelbar an der Exekution beteiligten - und natürlich die höchsten Stellen im Staat - davon wissen. Wirklich?

"Das erste Mal, als ich sie sah, war ich erschreckt. Sie wurden ins Schlachthaus geführt“ erklärt Hamid, Häftling in Saydnaya von 2012 bis 2013.

Top-Secret, und beim ersten Mal weiß Hamid schon, was geschieht? Er ist nicht der einzige.

Auch die Wachen - die nicht wissen, was vor sich geht, wissen es doch. "Selbst die Wachen, die die Gefangenen abholen und sie schlagen, wissen im Allgemeinen nicht, was mit den Gefangenen geschieht" schreibt Amnesty an einer Stelle, um dann eine der Wachen zu zitieren: "Wir wissen, dass sie sowieso sterben werden..."

Amnesty hätte sich rechtfertigen können mit dem Hinweis: "Die Behörden versuchten es geheim zu halten, es gelang ihnen aber nicht". Aber damit wäre das ganze Gebäude der Argumentation in sich zusammengefallen. Denn obwohl Wachen und Gefangene von den Ermordungen wissen, glauben sie dennoch der perfiden Lüge der Behörden, die abgeholten Gefangenen würden verlegt - und freuen sich sogar darüber.

Erdrosseln

Wenn, wie Amnesty schreibt, nur die unmittelbar Beteiligten von den Ermordungen wissen, ist eine Zeugenaussage schwierig. Die einen sind tot, die anderen ihre Henker. Wem will man da vertrauen?

Amnesty findet die Lösung für dieses Dilemma: Unbeteiligte Ohrenzeugen. Einer beschreibt es besonders drastisch. "Wenn man (in der Zelle über dem Hinrichtungsraum) das Ohr auf den Boden legte, hörte man, wie sie stranguliert wurden. Man hörte ein Gurgeln, für ungefähr 10 Minuten.“

Alles ganz leise, in einem Gefängnis, das zum Schweigen verurteilt war. Was der Ohrenzeuge nicht hört, waren die Geräusche von 50 Menschen, die gerade vor Stunden gefoltert wurden, "als wenn ihnen die Haut abgezogen würde". Die nicht mehr laufen konnten, weil sie stundenlang verprügelt wurden, wie Amnesty schreibt.

Und was er nicht hörte, war die "Party". Denn immerhin waren laut Amnesty zusätzlich zu den bis zu 50 Gefangenen auch 15 – 17 Offizielle anwesend, für die das Ganze womöglich ein Spaß war.

Ein anderer Zeuge berichtet genau darüber: Wagen kamen an, die Insassen begrüßten sich, es klang, als wenn sie sich alle kennen würden. Aber er berichtet nichts von Ermordungen. "Wir mussten wissen, was geschah. Wir analysierten es. Wir dachten, es seien Kisten mit Nahrungsmitteln oder Heizungen. Ich dachte, es seien Munitionskisten."

Ein oder zweimal in jeder Woche werden also bis zu 50 Menschen erhängt. Die Gefängnisinsassen in der Nähe des Geschehens "Müssen wissen", was geschieht. Sie analysieren es und kommen zu dem Schluss "Nahrungsmittelkisten" oder "Munition". Auf die Idee, dass Menschen erhängt werden, kommt keiner – im Gefängnis eines "Regimes", dem seit Jahren alle möglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden...

Schuhe

Nachdem die Gefangenen, die exekutiert werden sollten, abgeholt waren, hat man ihnen ihre Kleider weggenommen und ihnen eine blaue Uniform angezogen, bevor man sie dann verprügelt und gefoltert hat. Nicht weg genommen hat man ihnen ihre Schuhe.

Keiner der Häftlingen konnte den Hinrichtungsraum sehen. Aber beim Verladen der Leichen hat man niemals die Schuhe der Getöteten mitgenommen. Die blieben zurück damit nach Sonnenaufgang die Insassen zählen konnten, wie viele ihrer Leidensgefährten in der Nacht ermordet wurden: "waren es 30 Schuhe, wussten wir, dass 15 Menschen exekutiert wurden. Normal lagen zwischen 30 und 80 Schuhe draußen. Diejenigen, die wegen gewöhnlicher Verbrechen inhaftiert waren, räumten sie auf."

Es hätte die Behörden wirklich zu viel Mühe gekostet, die letzten Zeugnisse ihrer Verbrechen heimlich zu beseitigen – oder vielmehr gar nicht erst liegen zu lassen. Soviel zum Thema Top Secret.

Amnesty

Die Zeugenaussagen, die Amnesty vorlegt, haben eigentlich keine große Bedeutung für den Bericht selbst. Vielmehr versucht Amnesty von Anfang bis Ende ein bestimmtes Bild zu transportieren, das von den Zeugenaussagen nicht unbedingt gedeckt wird.

"Insassen von Saydnaya werden nur selten entlassen und aus dem 'Roten Gebäude' ist das noch weniger gebräuchlich als aus dem 'Weißen Gebäude'" schreibt Amnesty und der unkritische Leser mag daraus schlussfolgern, dass die Insassen so lange im Gefängnis bleiben, bis sie tot sind. Aber doch befragt Amnesty ehemalige Insassen.

Tatsächlich werden Insassen entlassen – im Durchschnitt der Zeugen, die Amnesty befragte nach ca. 20 Monaten (soweit man das aus den spärlichen Angaben von Amnesty ermitteln kann). Entlassen durch Amnestie-Dekrete des syrischen Präsidenten (10 Januar 2012, 23 Oktober 2012, 16 April 2013, 30 Oktober 2013 and 9 Juni 2014 und weitere) oder Gefangenenaustausch.

"Wenn der Geheimdienst denkt, jemand sollte exekutiert werden, schicken sie ihn vor den Feld-Gerichtshof" schreibt Amnesty und weiter: "Der Feldgerichtshof ist am gefährlichsten für die Verhafteten. Auch ohne Beweise können sie zum Tode verurteilt werden..."

Der Eindruck, den der Bericht erweckt, ist ganz einfach: Feldgerichtshof ist gleich Todesurteil. Denn: "Saydnaya ist der Ort, an dem die Revolutionäre erledigt werden. Es ist das Ende für sie..."

Aber Amnesty findet Zeugen, die dem Feldgerichtshof vorgeführt wurden, die ihre Wut über das Verfahren ausdrücken - und nicht hingerichtet wurden. Einer berichtete: "Ich wurde mit 45 anderen vor den Richter geführt - nach einer Stunde war alles erledigt." Was Amnesty verschweigt: wie viele dieser 45 wurden tatsächlich zum Tode verurteilt, wie viele der Verurteilten wurden gehenkt? Denn ursprünglich war ja die Behauptung: "Wenn der Geheimdienst denkt, jemand sollte exekutiert werden, schicken sie ihn vor den Feld-Gerichtshof".

Immer wieder betont Amnesty, das Gefängnis Saydnaya diene der Auslöschung des politischen Widerstandes und sei der Ort, wo der syrische Staat sein eigenes Volk ermordet. Insbesondere Demonstranten seien das Ziel dieser Angriffe.

Wir können hier nur auf einige der Widersprüche hinweisen, die den Bericht auszeichnen. Amnesty hat keineswegs ein detailliertes Bild gezeichnet, wie es in dem Bericht heißt. Sondern lediglich widersprüchliche Aussagen aufeinander gehäuft um ein möglichst schockierendes Bild zu erzeugen.

Ein Bild, das als Waffe im Krieg gegen Syrien dient.



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