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Notizen aus Syrien, 07.04.2012

Alltag in Damaskus Das syrische Konsulat war hilfsbereit und zuvorkommend. Turkish Airlines dagegen – sie haben alle Flüge gestrichen und uns nicht informiert.
Was soll man dazu sagen. Gestern Abend hatte ich es durch einen Zufall herausgefunden und wir mussten in der Nacht noch umbuchen. Flug über London mit Tankstopp in Beirut.
Das war bestimmt der Grund, warum ich nur schlecht schlafen konnte.

09.04.2012

Wir sind hier sehr gut angekommen, alles ist ruhig - bis auf die Hunde und Hühner in Geremana. H. wohnt in Geremana, ich natürlich in der Stadt, im gleichen Hotel wie vor 3 Jahren. Der Manager von damals ist auch noch da...

In Teilen von Homs und anderen Gebieten ist es überhaupt nicht so ruhig wie in Damaskus. Wir haben heute abend einen jungen Mann getroffen, der aus Homs kommt, zu Beginn der Ereignisse in Daraa in der Armee Dienst getan hat und jetzt gegen die Salafisten kämpft, in der Armee. Zwischendurch arbeitet er im Libanon, weil es in Homs zur Zeit überhaupt keine Verdienstmöglichkeit gibt. Alle sind hier in der Opposition, wollen den Sturz des Systems aber Assad behalten. Alle: das sind natürlich Freunde von Eyad und zufällige Taxifahrer...

Damaskus ist fast genau wie schon immer. Es gibt jetzt mehr Wachtposten und Kontrollen, aber sonst gibt es kein Problem. Der Winter ist um, gestern gab es Strom ohne Unterbrechung. Und Erdogan droht wieder…

Uns geht es hier - Stand 09.04. :-) wirklich sehr gut

11.04.2012

Es gibt hier viel zu sehen und ich will das jetzt garnicht alles aufschreiben.

Ein Problem ist z.B. dass ich hier am ehesten Kontakt zu Menschen habe, die schon im Ausland waren, die Kontakt zu Ausländern haben und die natürlich nicht so einfach für den Sturz von Assad sind.

Gestern hatte ich mich mit einer Lehrerin getroffen, sie lebt hier ganz europäisch für sich und hat mir erzählt, wie sie ganz krank war, als das alles anfing. Tagelang hat sie die Nachrichten im Fernsehen verfolgt, d.h. z.B. Al Jazeera, bis sie sich dann irgendwann gefragt hat: warum schaue ich eigentlich ins Fernsehen, ich lebe doch hier (und ihre Familie in Latakia). sie hat dann - wie mehr oder weniger alle - festgestellt, dass die Berichte im Fernsehen mit der Realität nichts zu tun haben.

So ist es halt. Das Gefühl bei ihr war ganz eindeutig (und das hört man auch immer wieder): wenn die Armee da ist, fühlt man sich sicher. Und zu den Kontrollen werde ich an anderer stelle noch eine Geschichte erzählen ;-)

Wenn man reist, hat man Angst; aber nicht vor der Armee, sondern vor den Bewaffneten wie auch immer man sie nennen mag.

Auch in der Familie, die wir am Abend besucht haben (einfache Menschen ausserhalb der Stadt, also im Landkreis Damaskus) gab es das Gefühl der Furcht - und nicht vor Assad.

Ja, da gibt es viel zu erzählen

13.04.2012

Heute ist (Ostkirchen)Ostern, alles sehr melancholisch.

Heute am Freitag war sehr viel security in der Stadt, d.h. da, wo offizielle Gebäude sind, gibt es wachtposten. Es gab auch eine kleine unspektakuläre Demo für die Armee.

Gestern hatte ich einen alten Bekannten getroffen - völliger Zufall. Auch er sagte, was uns fast alle in Damaskus und Umgebung gesagt haben: Änderungen ja, aber ohne Umsturz.

Nur einer, ich habe ihn nicht selbst getroffen, aber H. hat mit ihm gesprochen - wollte den Sturz des Regimes um jeden Preis.

Ansonsten höre ich wenn ich durch die Strasse laufe, dass ständig diskutiert wird. über die Korruption, das Regime usw. Ich habe da allerdings nicht nachgefragt, was im einzelnen gesprochen wird.

Und einen wirklichen hardcore-anhänger der Baath-Partei habe ich auch getroffen. Für ihn ist die Baath-Partei alles. Und er sagte auch: Er schätzt Assad gerade deshalb, weil er eben Europäer ist.

Hier ist vieles sehr verwoben und verstrickt. die emotionen gehen hoch und ich kann wirklich nur hoffen, dass die staatlichen Strukturen nicht auseinanderbrechen - auch wenn sie nicht so bleiben können, wie sie waren.

Ganz kompliziert

16.04.2012

Jetzt haben wir unseren Ausflug nach Aleppo hinter uns. Wir waren schon ein wenig angespannt, E. natürlich vor allem, weil er meint er habe die Verantwortung für uns - und sie ja auch ein bisschen hat.

Von Damaskus nach Aleppo, wer auf die Karte schaut, sieht: die Strasse führt an Homs vorbei. Auf der Hinfahrt: viele Kontrollposten, jedesmal musste der Busbegleiter die Passagierliste vorlegen. Heute auf der Rückfahrt, bei schönstem Frühlingswetter und warum auch immer, waren die Kontrollen total lasch, wir wurden einfach durchgewunken, der Bus hielt sogar ein paar Minuten an der Station in Homs (Bei der Hinfahrt nur zum Ein- und aussteigen)

Der Verkehr nach Homs und aus Homs war nur ein kleiner Teil dessen, was ich vor Jahren gesehen hatte. Aber heute wiederum deutlich mehr als bei der Hinfahrt am Samstag.

Nach wie vor fährt der Bus grosse Umwege, um auf einer sicheren Strecke zu bleiben. Wir sind also von Aleppo aus erst Richtung Osten und dann später Richtung Südwesten gefahren, statt den direkten Weg nach Süden.

In Aleppo war ein unglaubliches Leben. wir waren ja rein touristisch dort - wenn man das so sagen kann: die Märkte übefüllt, der Souk, die Zitadelle. Wir hatten von der Zitadelle einen Blick weit über die Stadt in alle Richtungen. Nichts zu sehen von irgendeiner Art von Auseinandersetzung

Wir wurden überall aufs freundlichste empfangen, hatten eine Führung in der Zitadelle, wurden gebeten Photos zu machen. Das Goetheinstitut natürlich geschlossen, aber in dem Museum zur Stadterneuerung (auch geschlossen) gab es einen Wächter, der uns einen Blick hinein werfen liess. Das Museum in Aleppo ist aus Furch vor Anschlägen geschlossen.

Und das Restaurant, in dem wir gestern Abend waren: Der Manager - wie alle, die wir getroffen haben, war für Stabilität und Reformen und musste bedauern, dass das Restaurant leer war.

.

Allerdings fragte mich der Taxifahrer in Damaskus, wie die Situation in Aleppo sei, weil er wohl von einigen "Geschehnissen" gehört hatte: und so etwas hatte ich ja auch aus Deutschland gehört.

Wir haben jedenfalls in Aleppo keine Panzer gesehen.In Homs zwei ausgemusterte Panzer aus dem Oktoberkrieg.

In Aleppo war die Situation - soweit ich so etwas beurteilen entspannter als in Damaskus (-- gerade gab es hier ein lokalen Stromausfall: Sicherung rausgefallen und ich dachte schon,alles was ich geschrieben hatte, sei weg. Aber nein: Ausfallsicherheit für meinen Computer--) Nachdem die Security unsere visa gesehen hatte, mussten wir nicht mal unser Gepäck vorzeigen.

Spannende Reise gewesen.

17.04.2012

"The participants in the Syrian and Arab Tribes Forum held in Lattakia stressed that President Bashar al-Assad is the "safety valve" and the most suitable for protecting Syria's sovereignty and stability."

Ich glaube, das ist ganz schön ausgedrück. Das Überdruckventil und am besten geeignet, Souveränität und Stabilität aufrcht zu erhaltenl...

Das ganze Gerede: Assad muss zurücktreten und alles wird gut: das sagen nur die, die das Chaos wollen oder einen muslimischen Staat.

Wer soll hier die Macht übernehmen? Wer soll den Staat organisieren? Wer soll allen Seiten deutlich machen, dass es keinen Bürgerkrieg gibt?

Nicht so einfach hier, wie von Deutschland aus behauptet.

17.04.2012

Vielleicht lag es an mir, an der Entspannung nach der Reise nach Aleppo.Das Gefühl war jedenfalls: noch kaum jemals oder vielleicht nie habe ich so einen Tag in Damaskus erlebt. Der Frühling in voller Pracht, die Schwalben fliegen, die Stadt voller flanierender Menschen. Es ist Feiertag heute, eigentlich schon die ganze Woche; auf jeden Fall sehr besonders.

Ich hatte das Gefühl und höre auch von anderen, dass es doch Hoffnung gibt.

18.04.2012

Wieder mal wurde ein Flug gecanceld.

Wir wollten heute den Flug bestätigen und waren doch leicht geschockt, als es schon wieder hiess: Flug fällt aus.

Es wurde uns ein Flug zwei Tage später versprochen - mal schauen. Wenn das wieder nichts wird, müssen wir doch über Beirut ausreisen - was ein Umstand.

Wir vermuten wirtschaftliche Gründe :-)

Nach diesem kleinen Schock dann ein interessanter Besuch im Handwerkermarkt, wo gerade eine Ausstellung mit Stoffen, Fotos, Waren aller Art und Musik stattfand. Viele junge Leute...

Doch noch schön geworden

21.04.2012

Die New York Times schreibt heute:

"Demonstrations erupted across Syria on Friday, with some of the protesters’ anger focused on United Nations observers,... in Damascus, where antigovernment protesters said they faced arrest, bullets, tear gas and a wide deployment of government security forces trying to suppress their demonstrations — all violations of the supposed cease-fire plan. In Syria, the official narrative, at least on state television, was that the entire country was a sea of tranquillity, a kind of postcard version of the country. ...The Homs video might well have been taken from the archives because not a single building visible seemed to have been damaged by shellfire — although the government has not attacked neighborhoods where the Alawite sect of the ruling Assad family predominates...the state-run news agency, reported that 18 members of the security services were killed across the country, saying that “armed terrorist groups continued their terrorist operations."

Ich kann nur sagen: wir waren in Geremana, in der Stadt, später auf dem Berg mit Blick auf die gesamte Stadt - und alles war ruhig.

Tatsächlich war es so, dass vor 12 Uhr überhaupt niemand auf der Strasse war - ausser den Sicherheitskräften und mir. Ich bin eine halbe Stunde zu früh aus dem Haus und es war gespenstisch, durch eine leere Stadt zu laufen. Die Furcht war aber nicht vor den Angriffen des Militärs...

Ich habe im Fernsehen auch die Postkartenbilder gesehen und gedacht: könnt ihr nicht etwas anderes senden...Tatsache ist aber, dass wir in 2 Wochen in Syrien, in Geremana, Damaskus und Aleppo - und wenn man so will am Stadtrand von Homs - genau diese Postkartenbilder gesehen haben (und am Rand von Homs Kontrollposten). Es gibt auch andere Bilder, die wir nicht gesehen haben. Es gibt Angriffe und Tote. Aber die Postkartenbilder schildern genau die Situation wie wir sie erlebt haben.

Gestern hatte ich mit zwei Beschäftigten im Hotel über die Situation in Suweida gesprochen (Sie kommen aus dieser Stadt). Sie hatten überhaupt nicht verstanden, was ich wollte: dort gibt es keine Probleme.

Natürlich gibt es die Kontrollen und natürlich gibt es die Wachtposten. Die Ausweiskontrollen sind zum Teil streng, aber nur an manchen Stellen z.B. am Stadtrand und am Berg Quassiun(grosse militärische Einrichtung) und wir als Ausländer müssen fast nie unsere Ausweise vorzeigen (nur ein oder zwei mal).

Die Wachtposten bewachten z.B. auch die Eisenbahnlinie, sicher nicht um Demonstrationen zu verhindern, wie es immer heisst, sondern um Anschläge zu verhindern.

Und sicher haben die Wachtposten eine doppelte Funktion: Schutz vor Angriffen und natürlich auch Abschreckung gegen Demonstrationen - falls das jemand wollte.

Hier sind - ausser am Freitag Vormittag - immer so viele Menschen auf der Strasse, z.B. vor den Ferien besonders bei der Uni: wenn hier jeder den Sturz von Assad wollte, wie es immer wieder heißt - hätte nur einer ein Schild hochheben müssen, dann wären gleich mal Tausende Demonstranten zusammen.

Also je mehr Beobachter hierher kommen und je mehr Journalisten, umso besser.

21.04.2012

Eigentlich hat sich die Verlängerung für mich durchaus gelohnt.

Heute konnte ich mich lange mit einem Manager hier im Hotel unterhalten. Er meinte, sie wollten nur noch ihre Ruhe und Frieden haben und Syrien wäre ein spielball der Grossmächte. Hat er sicher auch nicht unrecht.

Er meinte auch, dass von den Flüchtlingen aus Homs, die im Hotel untergebracht sind, einige mittlerweile nach Jordanien geflohen sind.

Danach habe ich einen bekannten Künstler in seiner Galerie besucht, er war wohl nicht da oder hatte keine Zeit oder Lust: Dafür hielt mir seine Frau einen langen vortrag über die situation und dass dies alles vom Westen angezettelt ist und ja nicht der erste Versuch ist, Syrien zu zerstören.

ein Adlatus, der mich durch das Haus im ehemaligen jüdischen viertel geführt hat, war Flüchtling aus dem Irak.

Zwischen dem Blick in Haus und Atelier mit einer bunten Mischung von Kunst und Kinderspielzeug und der Vernisage, die ich am Donnerstag besucht hatte, lagen Welten. Die Vernisage feierte einen Staatskünstler; Minister und Entourage unter sich. Oder auch: "Lauter Diebe", wie hier der eine und andere sagt.

Hier auf der Strasse englische und französische Zeitungen: "Massendemonstrationen: Heute grosser Test des Waffenstillstands..."

Da kann ich nur den Kopf schütteln...

So ist alles hier eine turbulente Mischung und man muss sich einen Weg suchen.



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