Sichere Zonen, 10.05.2017
Im November 2015 schoss die türkische Luftwaffe eine russische SU-24 ab, die bei einem Einsatz in Syrien angeblich den türkischen Luftraum verletzt hatte. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und der russischen Föderation verschlechterten sich daraufhin rapide. Russland verhängte Sanktionen, der Handel zwischen den beiden Ländern brach um 25% ein.
Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Der türkische Handelsminister spricht von einer Freihandelszone mit Russland, die russischen Sanktionen werden sukzessive abgebaut und selbst der Verkauf eines russischen Luftabwehrsystems an die Türkei erscheint nicht mehr von vornherein ausgeschlossen.
Mit dem Beginn der Verhandlungen in Astana wurde die erneute Annäherung zwischen Russland und der Türkei offensichtlich.
Die türkische Regierung hat schon lange eine engere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Russland gesucht. Der Abschuss des russischen Flugzeugs verursachte nur eine vorübergehende Verschlechterung der Beziehungen. In dem Maße, wie die USA die kurdische PYD bzw. Die YPG politisch und militärisch stärkte, suchte die türkische Regierung wieder eine verstärkte Zusammenarbeit mit der russischen Föderation.
Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Zusammenarbeit mit der Einrichtung sogenannter Deeskalationszonen in Syrien.
In vier Zonen – in Idlib im Norden, Teilen von Latakia, Homs und Hama im Zentrum und Gebieten um die Hauptstadt und im Süden Syriens - soll der Waffenstillstand zwischen den verhandlungsbereiten Teilen der bewaffneten Opposition und der Armee gestärkt werden.
Soweit der Waffenstillstand hält, sollen keine Luftangriffe mehr geflogen werden, selbst eine umgekehrteFlugverbotszone erscheint möglich: Auch Flugzeuge der USA und ihrer Verbündeten sollen in diesen Gebieten nicht mehr fliegen.
Die drei Garantiemächte Russland, die Türkei und Iran sollen die Einhaltung des Waffenstillstands überwachen und die Zufuhr von Hilfsgütern überwachen.
Der Krieg gegen die Terroristen von IS und al-Nusra ist davon unbenommen. Für die russische Föderation ist das Hauptziel des Vorschlags gerade, endlich eine Trennung zwischen den verhandlungsbereiten Bewaffneten auf der einen und den Terroristen von IS und al-Nusra auf der anderen Seite zu erreichen, militärisch, räumlich und politisch. Der Lohn dafür: eine im Grunde unangefochtene Souveränität in den von ihr besetzten Gebieten.
Die syrische Regierung hat den russischen Vorschlag und das Abkommen zur Errichtung der Deeskalationszonen von vornherein begrüßt und erklärt, sie unterstütze alle Vorschläge, die geeignet seien, das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Inwieweit die bewaffnete Opposition sich faktisch auf die Vorschläge einlässt ist noch offen. Wie fast immer verließen zumindest Teile der Opposition theatralisch die Verhandlungen und lehnten vor allem den Iran als Garantiemacht ab.
Der Sondergesandte der UN für Syrien, de Mistura begrüßten das Abkommen, die Reaktionen aus Europa sind verhalten. Russland als Friedensstifter, das passt so gar nicht ins Bild.
Die kurdische PYD spricht sich gegen die Deeskalationszonen aus, sie würden eine Teilung Syriens vorbereiten. Auch wenn das Argument nicht unbegründet ist, gilt das gleiche für die Vorstellungen einer kurdisch/syrischen Föderation. So ist im Hintergrund eher die Furcht zu vermuten, bei einer zu partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und der Türkei könnten kurdische Interessen auf der Strecke bleiben.
Die Politik der USA scheint noch keinen festen Grund gefunden zu haben und schwankt zwischen Unterstützung der Dschihadisten und dem Sturz der Regierung auf der einen Seite, einer Aufspaltung des Landes oder der Zusammenarbeit mit Russland auf der anderen.
Der mutige Vorschlag der russischen Föderation aber führt auf unbekanntes Terrain: ist es der Beginn der Aufspaltung des Landes – insbesondere mit Idlib im Norden und Deraa im Süden? Ist es der Beginn einer politischen Lösung? Oder versinkt auch dieser Versuch im Malstrom der divergierenden Interessen der regionalen Mächte?
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