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Einbahnstraße, 27.06.2015

Kurz nachdem die kurdischen Volksverteidigungskräfte IS aus der kurdischen Stadt Tel Abyad an der Grenze Syriens zur Türkei vertrieben hatten, gab es erneut Kämpfe in Ain al-Arab/Kobani und zeitgleich in al-Hasaka. Das zeigt einmal mehr: die kurdische Autonomie zu verteidigen ist keine Einbahnstraße. So schwierig die Geschichte der Kurden in Syrien ist, zwischen halber Unterstützung und ganzer Repression: nur im gemeinsamen Kampf der kurdischen Selbstverteidigungskräfte und der Regierung kann ein Mindestmaß an Stabilität gegen IS erreicht werden.

Der Spiegel berichtet von Selbstmordanschlägen, Kämpfen im Stadtzentrum und einem Massaker in einem Dorf in der Nähe von Kobani. Ähnliches berichtet die syrische Nachrichtenagentur SANA. RT berichtet von 145 Toten Zivilisten und andauernden Kämpfen. Es gibt keine isolierte friedliche Entwicklung für die kurdischen Gebiete. Es ist ein Krieg gegen Syrien und damit auch ein Krieg gegen die kurdischen Gebiete in Syrien.

Zugleich mit dem erneuten Angriff auf Kobani (Mittlerweile wurden die Angreifer offenbar zurückgeschlagen) wurde auch Hasaka angegriffen. Zehntausende wurden vertrieben – Araber und Kurden.

Nick Brauns berichtete auf einer Veranstaltung in München anekdotisch von einer Situation, in der ausländische Besucher und Kämpfer der kurdischen Selbstverteidigungskräfte in einer Nacht beobachteten, wie die syrische Armee Stellungen von IS beschoss. Von Seiten der kurdischen Kämpfer durchaus wohlwollend betrachtet.

Wohlwollen alleine reicht nicht. Die syrisch-kurdischen Parteien(PYD und andere) werden sich entscheiden müssen, ob sie mit Gruppen, die sich als Freie Syrische Armee bezeichnen, gegen die syrische Regierung kämpfen oder ob sie zusammen mit Armee und Regierung gegen IS kämpfen.

In einem Interview stellte die junge Welt (junge Welt vom 12.05.2015) Idriss Nassan als Vizeaußenminister der Verwaltung des Kantons Kobani vor. Er erklärte im Interview, die syrische Armee sei in der Region um Kobani überhaupt nicht aktiv. Im Umland von Tel Abyad gebe es einige Dörfer, die ‚historisch‘ zu Kobani gehören, aber vom ‚Regime‘ der Provinz Raqqa angegliedert wurden. Die Einheiten der kurdischen Volksverteidigungseinheiten kämpften zusammen mit Einheiten der Freien syrischen Armee um die Befreiung. Und explizit auf die Nachfrage der jungen Welt, ob das Bündnis mit der FSA dem Kampf gegen IS oder dem Kampf gegen das "Baath-Regime" gelte: "(Wir) kämpfen für Freiheit und eine demokratische Administration. Ich denke, Sie verstehen was ich meine..."

Oh ja, wir verstehen genau. Sie kämpfen zusammen mit der FSA gegen die syrische Regierung und beschweren sich zugleich, dass die syrische Regierung sie nicht unterstützt.

"...Die USA stehen hier vor einem Dilemma", erklärt Idriss Nassan. "Denn einerseits haben sie Probleme mit unseren ja auch antikapitalistischen Ideen. Andererseits wären wir die beste Wahl in der Region, wenn es wirklich um eine Stärkung demokratischer Kräfte gehen soll..."

Ja, sie wären bestimmt die beste Wahl, wenn es in der Region um die Stärkung demokratischer Kräfte gehen sollte. Leider geht es darum ganz und gar nicht. Es geht um Machtpolitik, den Sturz der syrischen Regierung von außen. Um die Machtinteressen der Golfstaaten, der Türkei, der NATO.
Gemeinsam mit der FSA gegen die syrische Regierung? Dann nehmen die USA den Antikapitalismus der PYD bestimmt nicht übel. Ein Dilemma wäre allenfalls für eine linke Politik - die Stärkung demokratischer Kräfte in Zusammenarbeit mit den USA...
Man könnte über diese ja auch antikapitalistischen Ideen, die sich doch den USA als beste Wahl anbieten, lächeln, wenn das alles nicht so furchtbar wäre.

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Auf dem Papier treten die kurdischen Parteien weiter für die Einheit Syriens und eine pluralistische, demokratische Gesellschaft ein; sie unterscheiden sich darin nicht von der Regierung. Aber in der Realität? Die Schweiz hat 26 Kantone – aber keines dieser Kantone hat einen Außenminister. Kobani lag vor dem Krieg mit 50.000 Einwohnern auf dem 32. Platz in der Liste der syrischen Städte nach ihrer Größe – und leistet sich doch nicht nur einen Außenminister, auch einen Stellvertreter?

Warten syrisch-kurdische Parteien darauf (oder wollen sie selbst dazu beitragen, sie verstehen, was ich meine), dass Syrien zerstört wird um in diesem Chaos unabhängige kurdische Kantone als quasi eigenständige Staaten zu bilden – im Rahmen eines neuen Sykes Picot?

Dieser „dritte Weg“ ist noch nicht einmal eine Einbahnstraße – er ist eine Sackgasse. Wenn Syrien fällt wird es mit Sicherheit kein unabhängiges freies Kobani geben und auch keinen Außenminister eines Kantons. Die Politik wird dann an anderer Stelle bestimmt.

Hoffen wir, dass die kurdischen Selbstverteidigungskräfte und die syrische Armee gemeinsam Hasaka verteidigen. Und dass die PYD sich dafür entscheidet, mit der syrischen Regierung zusammen zu arbeiten - für die Stabilität und gegen das Chaos.

Mehr zum Thema: Die grosse Empörung



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